6.8.2015 |
Dritter Anlauf für eine Hochschul-Außenstelle - Konzept für ein Netzwerkzentrum für die Industrie 4.0 eingereicht
Er lässt nicht locker. Hochschulpräsident Prof. Dr. Peter Sperber will in einem dritten Anlauf erreichen, dass seine Wahlheimat Viechtach eine Außenstelle bekommt. Das ist aber nicht sein einziger Antrieb: Sperber will der regionalen Industrie helfen, sich auf die zukünftigen Herausforderungen einzustellen und diese zu meistern. Hilfestellung will er ihnen in einem Netzwerkzentrum Industrie 4.0 geben.
"Die Industrie steht vor der Schwelle zur vierten industriellen Revolution" heißt es in einem Zitat des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Es geht darum, eine starke Individualisierung der Produkte unter den Bedingungen einer hoch flexibilisierten (Großserien-)Produktion zu erreichen. Wie das am besten auch der heimischen Wirtschaft gelingt und die Digitalisierung der Industrie auch im Bayerischen Wald Realität wird, das will die Hochschule Deggendorf erforschen mit regionalen Firmen als Partnern und zwar in Viechtach - in einem Netzwerkzentrum Industrie 4.0.
Dieses Zentrum soll nach Teisnach, Spiegelau und Co. eine weitere Außenstelle der Technischen Hochschule Deggendorf (THD) sein. Ein entsprechendes Förder- und Realisierungskonzept haben Viechtachs Bürgermeister Franz Wittmann und der in Viechtach lebende Präsident der Hochschule Deggendorf, Professor Dr. Peter Sperber, im Januar an Minister Helmut Brunner übergeben - mit der Bitte, es an seine Kabinettskollegen weiterzuleiten, die für Wirtschaft, Forschung und Kunst zuständig sind.
Wie Sperber im Gespräch mit dem Viechtacher Bayerwald-Boten erläuterte, haben er und seine Mitstreiter mit den 22 Seiten umfassenden Konzept auf eine Aufforderung von Wissenschaftsstaatssekretär Bernd Sibler reagiert. Dieser hatte gefordert, dass die Hochschule und ihre Partner Hausaufgaben machen und ein Konzept vorlegen sollen, das mit der Industrie abgestimmt ist. Diese Hausaufgaben seien erledigt, stellt Hochschulpräsident Sperber klar.
"Momentan sind die regionalen Firmen super am Markt etabliert, aber derzeit ist eine große Anzahl von gleichen Produkten als Serie erforderlich, um die Qualität gewährleisten zu können, die der Kunde erwartet", so Sperber. Der Trend gehe aber hin zu individuellen und individualisierten Produkten und kleineren Stückzahlen.
Das bestätigt auch die Firma Linhardt, in der Forschung und Entwicklung eigenen Angaben zufolge schon lange einen hohen Stellenwert haben. Dem Unternehmen gehe es dabei nicht nur um neue oder bessere Produkte, sondern auch um eine permanente Optimierung der Verfahren. "Gerade bei Letzterem versprechen wir uns weitere Fortschritte bei der Zusammenarbeit mit der Technischen Hochschule Deggendorf", erklärte Johann Beil, Bereichsleiter Forschung und Entwicklung, auf Nachfrage.
Linhardt habe bereits selbst ein Konzept erarbeitet, das in Richtung "Industrie 4.0" weist. Unter diesem Stichwort versteht das Unternehmen einen neue Dimension der digitalen Informationsgewinnung und -verarbeitung in der industriellen Produktion. Es wurden schon erste Projekte in diese Richtung angestoßen. Der Linhardt-Plan wurde der Hochschule zur Verfügung gestellt und gemeinsam diskutiert und ist ein Baustein des Bewerbungskonzepts.
In diesem Konzept wird deutlich gemacht, dass eine Umstellung der Industrie auf die immer stärker digitalisierte Welt nötig sei - "sonst können unsere Firmen nicht mehr auf dem Markt bestehen", wie der Hochschulpräsident betonte. In Zukunft müsse ein Produkt der Maschine mitteilen können, wie es bearbeitet werden soll und die Maschine müsse auslesen können, welches Werkzeug sie benötigt, um das gewünschte Ergebnis zu liefern. In der Massenproduktion der Zukunft müsse das Produkt die Produktanfrage konfigurieren und steuern können, um den Produktionsvorgang berechenbarer zu machen und Planungs-, Produktions- und Kostensicherheit zu erhalten. Dafür seien besondere Messtechnik und Sensorik nötig.
Im Netzwerkzentrum wollen Hochschule und Unternehmen erforschen, welche Messtechnik und Sensorik benötigt wird, entsprechende Technik (Maschinen, Geräte und Instrumente) entwickeln und diese dann der Industrie zur Verfügung stellen. "Denn die von unseren heimischen Unternehmen benötigte Sensor- und Messtechnologie gibt es nicht", sagt Sperber.
Auch die Firma Linhardt hat entsprechende Erwartungen: "Wir wollen konkrete Problemstellungen unserer Produktion von Aluminium-Tuben und Spraydosen in Zusammenarbeit mit der Hochschule lösen. Der Kernprozess in unserem Viechtacher Werk ist das Aluminium-Fließpressen, ein traditionelles, aber auch komplexes Verfahren. Mit neuen Ansätzen in der Sensorik erwarten wir uns, quasi besser in diesen Prozess reinschauen zu können", sagte Johann Beil.
Wo das Netzwerkzentrum angesiedelt werden soll, ist noch unklar. Eines stellt Hochschulpräsident Peter Sperber heraus: "Es muss kein Neubau sein, eine Außenstelle könnte auch in ein bestehendes Gebäude integriert werden." Wenn ein Zeichen aus München komme, dass es was werden könnte mit dem Netzwerkzentrum, dann werde man überlegen, wo man sich niederlässt.
Der Platzbedarf sei ähnlich wie in den Außenstellen Teisnach, Freyung und Spiegelau. "Das Raumprogramm und die Raumaufteilung mit Laboren und Büros hat sich bewährt. Das in Teisnach erstmals umgesetzte Konzept wurde bereits im Kunststoffzentrum Weißenburg kopiert. Wie diese Außenstellen soll auch das Viechtacher Netzwerkzentrum aus Technologiecampus und Gründercampus bestehen."
Forschen, Lehren, Lernen und Arbeiten könnten dann auch hier in der Nachbarschaft möglich sein. Viechtach könnte das Zentrum neue Arbeitsplätze bringen, den Unternehmen die benötigten Fachkräfte. Für die Firma Linhardt etwa liegt ein weiterer Fokus auf der "Qualifizierung unserer bestehenden und zukünftigen Mitarbeiter. Eine Hochschule in Viechtach kann hier einiges beitragen." Dass die Zusammenarbeit von Unternehmen und Hochschule funktioniere und Früchte trage, sei in der Vergangenheit mehrfahr unter Beweis gestellt worden.
"Mit der THD verbindet Linhardt eine langjährige Zusammenarbeit im technischen, aber auch im betriebswirtschaftlichen Bereich. Studenten aus Deggendorf haben bereits ihre Praktika bei uns absolviert oder ihre Abschlussarbeit verfasst", teilte der Linhardt-Bereichsleiter Forschung und Entwicklung mit.
Ob die Hochschule Deggendorf, die Stadt Viechtach und ihre regionalen Partner dieses Mal mit ihrer Idee in München Gehör finden und die Außenstelle realisieren können, wird sich zeigen. Auf Nachfrage bestätigte Ludwig Unger, Pressesprecher des Kultusministeriums nochmal, dass der zweite Anlauf der Viechtacher Außenstelle im Zuge des vom Kultusministerium ausgelobten Wettbewerbs "Partnerschaft Hochschule und Region" nicht erfolgreich war.
Damals war ein "TTZ in Viechtach nicht bewilligt" worden. Und so gut stehen offenbar die Chancen beim dritten Anlauf nicht. Zumindest könnte man eine weitere Aussage aus dem Ministerium in diese Richtung deuten. "Die Technische Hochschule Deggendorf arbeitet derzeit an der Umsetzung verschiedener Großprojekte, zum Beispiel am Aufbau des Bereichs "Gesundheit Plus" in Pfarrkirchen und im Bereich Gesundheit in und um Deggendorf selbst. Hier sind erhebliche Kräfte gebunden, die gegenwärtig die Arbeit an einem weiteren potenziellen TTZ nicht ratsam erscheinen lassen", teilte Unger der Heimatzeitung mit. Ein endgültiges "Ja" oder "Nein" gibt es offenbar noch nicht, wenngleich "im laufenden Doppelhaushalt keine Mittel für ein zusätzliches TTZ der Hochschule Deggendorf vorgesehen" seien.
Die Hochschule Deggendorf und die Stadt Viechtach und ihre Partner wollen bis auf Weiteres in engem Kontakt bleiben, um gegebenenfalls schnell und flexibel auf die Entscheidung reagieren und möglicherweise am Netzwerkzentrum 4.0 weiterplanen zu können.
VBB vom 09.04.2016